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Künstliche Intelligenz in der Fertigungsindustrie

Künstliche Intelligenz in der Fertigungsindustrie
Motor für höhere Produktivität und Innovation.
Vorausgesetzt, das Mindset der Mitarbeiter stimmt.

Zusammenfassung

Grosse wie auch mittelständische Unternehmen beschäftigen sich heute mit KI-Anwendungen mehr denn je. Es nicht zu tun, kann für ein Unternehmen längerfristig zu einer drastischen Verschlechterung der Wettbewerbsposition führen. Nämlich dann, wenn mit der Unterstützung von KI-Technologien Potenziale zur Kostensenkung oder Umsatzsteigerung ungenutzt bleiben. Es gibt zahlreiche Beispiele für KI-Anwendungen in der Fertigungsindustrie und im mehrstufigen Vertrieb, die messbar zu signifikanten Performance-Verbesserungen führten.  KI-Technologie wird in den meisten Fällen nicht autonom eingesetzt, sondern als Werkzeug bzw. Hilfsmittel für die Mitarbeiter. KI-Tools sind daher nur wirksam, wenn die Mitarbeiter den Ergebnissen der KI vertrauen und folglich ihre Prozesse, Arbeitsweise und Entscheidungsverhalten verändern. In diesem Kapitel zeigen wir praktische Beispiele und geben Hinweise, worauf ein Unternehmen bei der Auswahl von KI-Anwendungen achten sollte, welche Erfolgsfaktoren es zu bedenken gilt und wie man das Mindset der Mitarbeiter verändert, um Vertrauen in KI aufzubauen.

KI als Puzzleteil in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens

KI ist ein zunehmend wichtiger Bestandteil in der Wertschöpfungskette, da sie die Effizienz steigert und Innovations- und Geschäftsprozesse beschleunigt. Durch die Integration von KI in verschiedene Phasen der Wertschöpfung werden Daten für Optimierungszwecke nutzbar gemacht. In der Produktion verbessert KI die Qualitätskontrolle und steigert die Produktivität. Im Vertrieb und Marketing ermöglicht KI, Umsatzpotenziale zu erkennen, Kunden personalisiert anzusprechen und das passende Angebot zum richtigen Zeitpunkt zu platzieren. Im Kundenservice nutzt man KI-basierte Tools zur schnelleren und effizienteren Problemlösung. Die Integration von KI in die Wertschöpfungskette unterstützt auch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen oder bei der Festlegung der Preispositionierung. Durch die Automatisierung repetitiver Tätigkeiten leistet KI einen Beitrag zur Kostensenkung und zur Steigerung der Skalierbarkeit von Unternehmen, indem eine grössere Unabhängigkeit von Fachpersonal erreicht wird.

KI revolutioniert die Wertschöpfungskette in der Fertigungsindustrie, indem sie Unternehmen befähigt, schneller auf Marktanforderungen zu reagieren und einen nachhaltigen Mehrwert zu schaffen. KI ist ein entscheidender Enabler, um die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nachhaltig zu stärken.  

Sales Recommender  

Mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen werden bestehende Kundendaten analysiert. Algorithmen erstellen aus Kundeneigenschaften wie der Branchenzugehörigkeit oder der Unternehmensgrösse, dem bisherigen Kaufverhalten und den Produktbewertungen des jeweiligen Kunden und ähnlicher Kunden sowie den Eigenschaften der verschiedenen Produkte eine Kaufempfehlung. Die Funktionsweise kennt man von Onlineshops: „Dieses Produkt könnte Sie auch interessieren“ oder „Andere Kunden haben auch das gekauft“. Diese sogenannten Recommender-Systeme funktionieren auch im B2B-Vertrieb, sofern ausreichend relevante Daten in den CRM- und ERP- Systemen vorhanden sind. Ein klassischer Anwendungsfall für Recommender-Tools im Maschinenbau ist der After-Sales-Bereich, um Empfehlungen für den Ersatzteilverkauf zu generieren.  

Offer Automation  

Mithilfe einer KI lässt sich der Angebotsprozess automatisieren, indem Algorithmen Daten analysieren (z. B. historische Angebote, Preislisten, Rabattverhalten, Wettbewerberpreise), Preisempfehlungen geben, personalisierte Angebote erstellen und eine automatisierte Kommunikation mit dem Kunden ermöglicht werden. KI steigert somit die Effizienz und Geschwindigkeit in der Angebotserstellung.

Lead Crawler  

Auf Grundlage von manuell oder automatisch erstellten Kundenprofilen (z. B. auf Grundlage bestehender Kundendaten) suchen Algorithmen in internen und externen Daten nach neuen Kunden. An den Vertrieb werden Leads ausgespielt, die ein Geschäftspotenzial haben könnten. Der Vertrieb qualifiziert, ob tatsächlich ein Umsatzpotenzial besteht oder nicht. Dieses Feedback wird an die KI zurückgespielt, wodurch diese aus den Rückmeldungen lernt und den Suchprozess kontinuierlich optimiert.

Churn Prevention  

Algorithmen identifizieren Kunden, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass sie in absehbarer Zeit nicht mehr kaufen bzw. zum Mitbewerb abwandern. Dieses Risiko ermittelt die KI auf Grundlage von Kundendaten wie  Bestellverhalten, Zahlungsmoral, Angebotswerte oder Kommunikationsdaten zur Stimmungsanalyse (Sentiment). Vertriebsmitarbeiter erhalten Zugriff auf ein Dashboard, das eine Übersicht über gefährdete Kunden bietet. So können proaktiv Massnahmen ergriffen werden.  

Generative AI (z. B. Sprachassistenten)

Sprachassistenten wie Chat-GPT von Open AI, Google Bard oder Open-Source-Lösungen können in unterschiedlichsten Unternehmensbereichen eingesetzt werden. Grundsätzlich ergeben Sprachassistenten in allen wissensintensiven Organisationseinheiten Sinn, wie z. B. in Marketing, Kundenservice, Forschung und Entwicklung, Einkauf, HR oder im Vertrieb. Der Vorteil von Large Language Models (LLMs) ist, dass diese bereits vortrainiert sind und in relativ kurzer Zeit für ein Unternehmen produktiv einsetzbar sind. Den grössten Nutzen erzielt man mit Sprachassistenten, wenn externe wie auch interne Datenquellen integriert werden. Diese Daten können in unstrukturierter Form (z. B. Produktbeschreibungen als PDF, E-Mails, Websites) vorliegen und von Sprachassistenten verarbeitet werden.

Machine Parameter Optimization  

In der Produktion werden Algorithmen genutzt, um Maschinenparameter automatisch einzustellen, um einen optimalen Produktionsoutput in Bezug auf Produktqualität und Performance zu generieren. Parameter-Optimizer-Tools werden auch in der Produktentwicklung eingesetzt, um beispielsweise Rezepturen für chemische Produkte schneller zu entwickeln. Dabei werden zeitaufwändige physische Experimente durch Computersimulationen ersetzt.  

Predictive Maintenance  

Für die Maschinenwartung können Algorithmen genutzt werden, um den Zustand von Maschinen in Echtzeit zu überwachen (Condition Monitoring). Durch eine permanente Datenanalyse und die Nutzung von Algorithmen wird Wartungsbedarf von Maschinen oder einzelnen Komponenten vorhergesagt, um ungeplante Stillstände zu verhindern. Diese Form der proaktiven Instandhaltung erhöht die Nettolaufzeit der Maschinen und senkt Wartungskosten, indem Wartungsarbeiten genau dann durchgeführt werden, wenn sie erforderlich sind, anstatt nach einem festen Wartungsintervall.

Quality Control / Anomaly Detection (Computervision)  

Mithilfe von Computervision kann die Qualität der Produkte während der Produktion überwacht werden. Eine KI-basierte Qualitätskontrolle durch Bilderkennung nutzt sogenannte neuronale Netze, um Muster in Bildern zu erkennen. Durch das KI-Training mit bildbasierten Beispieldaten erkennt die KI Unregelmässigkeiten (Anomalien) an den Produkten, identifiziert Defekte, optische Fehler oder fehlerhafte Dimensionen. Diese automatisierte Bildanalyse ermöglicht eine schnelle und präzise Qualitätsbewertung und hilft den Produktionsmitarbeitern, den Produktionsprozess laufend zu optimieren und den Ausschuss zu reduzieren.  

Sales/Supply Forecasting  

Algorithmen können Muster in historischen Verkaufsdaten erkennen, um daraus eine Umsatzprognose zu erstellen. Üblicherweise nutzt man neben den historischen Absatzdaten auch Angebote, Verkaufschancen, Marktstatistiken oder Konjunkturdaten, um eine höhere Forecast-Genauigkeit zu erzielen. Durch die Integration relevanter Datenquellen kann eine sehr gute Prognosequalität erzielt werden. In der Praxis erzeugt die KI oft bessere Forecasts als jene, die von Mitarbeitern erstellt werden. Die Nutzung von KI hilft, den Planungsaufwand für den Vertrieb signifikant zu reduzieren, die Genauigkeit der Prognosen zu erhöhen und damit die Planungsdaten nutzbarer zu machen für nachgelagerte Abteilungen wie Beschaffung, Produktion oder Logistik. Besonders in den Fällen, wo sehr viele Daten vorliegen (z. B. sehr viele unterschiedliche Produkte oder Produktsegmente sowie eine Vielzahl externer und interner Datenquellen) und a priori unbekannt ist, wie diese Daten voneinander abhängen, können KI-basierte Prognosemodelle einen Mehrwert auch gegenüber herkömmlichen statistischen Ansätzen bringen.

Industrial Embedded AI  

Integrierte KI-Technologie in Maschinen bzw. generell in Produkten ermöglicht die automatisierte Steuerung und Optimierung von Produktionsmaschinen bzw. die Unterstützung von Produktionsmitarbeitern, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Embedded AI dient der Produktivitätssteigerung im Produktionsprozess. Anwendungsbeispiele für Embedded AI findet man allgemein in der Robotik, der OEE (Overall Equipment Effectiveness) Optimierung, Predictive Maintenance oder in Sprachassistenten für Maschinenbediener.

Erfolgsfaktoren für KI-Implementierungen

Die Nutzung von KI, um Geschäftsprozesse zu optimieren oder neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, steht bei vielen Unternehmen auf der Agenda. Trotzdem ist es wichtig, sich der Herausforderungen von KI-Projekten bewusst zu sein. Diesbezüglich unterscheiden sich KI-Projekte nicht von anderen Softwareeinführungsprojekten. KI- und Data-Science-Projekte haben für Unternehmen, die gerade damit starten, oft experimentellen Charakter, um herauszufinden, inwiefern die existierenden Daten für KI überhaupt nutzbar sind bzw. ob KI überhaupt Sinn ergibt. Das erste KI-Projekt, das ein Unternehmen umsetzt, ist von entscheidender Bedeutung für den zukünftigen Stellenwert von KI im Unternehmen. Ist das erste Projekt ein „Fail“, ist es schwierig, Management und Mitarbeiter zu motivieren ein weiteres KI-Projekt zu starten. So könnte die AI-Journey eines Unternehmens ein abruptes Ende nehmen. Um das zu vermeiden, braucht es eine systematische Analyse der KI-Ideen, Potenziale und Use Cases. Nachfolgende Faktoren sind für KI-Projekte erfolgsentscheidend.

Erfolgsfaktor #1

Das Unternehmen muss über die richtigen Daten verfügen

Ohne Daten hat man kein Data-Science-Projekt. Ohne richtige Daten keine KI. Es kann auch schwierig sein, die notwendigen Daten zu sammeln, zu erstellen oder extern zu beschaffen.  

Auch wenn der Zugriff auf die Daten vorhanden ist, muss man immer noch einige Herausforderungen überwinden:

  • Wie und wo sind die Daten gesichert?
  • Liegen die zugrunde liegenden Daten in ausreichend guter Qualität vor?
  • Können die Daten bereinigt werden?
  • Können die Daten ethisch und rechtlich für den beabsichtigten Anwendungsfall verwendet werden?
  • Gibt es interne Mitarbeiter, die die Kombination aus Daten und Geschäftsprozesse verstehen?

Das Thema Datenmanagement ist eine der zentralen Herausforderungen in KI-Projekten. Hier ein paar Empfehlungen:

  • Etablierung interner Guidelines, wie Daten zu erfassen und zu nutzen sind, um den GiGo-Effekt (garbage in – garbage out) zu vermeiden.
  • Nie davon ausgehen, dass Daten in einer hohen Qualität vorliegen.
  • Sicherstellen, dass interne oder externe Mitarbeiter mit den nötigen Skills in Data-Science, Advanced-Analytics und Machine-Learning eingesetzt werden.

Erfolgsfaktor #2

Die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Fähigkeiten einsetzen

Tech-Talente zu finden, einzustellen und zu halten ist nie einfach. Und es geht nicht nur darum, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Man muss auch die richtige Kombination aus Mitarbeitern finden. Die Zeiten, in denen ein Data Scientist ein komplettes KI-Projekt allein umsetzt, sind vorbei.  

Die Implementierung von KI-Lösungen – von der Ideenfindung über die Bereitstellung der Lösung bis zum produktiven Einsatz – benötigt verschiedenste Fähigkeiten und Rollen, um Erfolg zu haben.

Erfolgsfaktor #3

Auswahl des richtigen KI Use Case mit einer glasklaren Zielsetzung

Haben sie jemals ein Projekt mit einer unscharfen Zielvorstellung begonnen? Oder ein Projekt mit einem klar definierten Ziel, das nicht realistisch ist oder keinen sinnvollen Mehrwert bringt?

Manche Unternehmen stellen gut ausgebildete Data-Scientisten ein, ohne eine klare Ausrichtung definiert zu haben. Die Neueingestellten tauchen dann aus einem mehrwöchigen „Forschungsloch“ auf, nur um festzustellen, dass sie die Zielvariable missverstanden hatten, was die Analysen irrelevant machte.

Um dieses Risiko zu minimieren, starten Sie Ihr Projekt richtig und stellen Sie die richtigen Fragen vor dem Start des Projekts. Man muss tief in eine Aufgabenstellung eintauchen, um das zugrunde liegende Problem, das gelöst werden muss, wirklich zu verstehen.  

Erfolgsfaktor #4

Think big – Start small – Deliver fast

Je ungewisser der ROI einer Softwareinvestition, desto geringer ist die Chance, dass das Management das Projekt befürwortet. Das gilt auch für KI-Projekte. Die Entscheidungsträger in Unternehmen, die über KI-Investitionen entscheiden, scheuen grosse (risikobehaftete) Investitionen. Insbesondere bei KI-Projekten wird oft die Vorgabe gemacht „sucht nach den quick-wins“. Anders ausgedrückt Think big – Start small – Deliver fast.

Think Big Legen Sie mit dem Management fest, in welchem Unternehmensbereich nach KI-Potenzialen gesucht werden soll (z. B. Produktion, Produktentwicklung, SCM, Vertrieb/Marketing). Mit einigen Stakeholdern aus dem ausgewählten Fachbereich führen Sie Envision Workshops durch. Es werden gemeinsam Ideen entwickelt und mit internen/externen Experten bewertet. Das ist die Grundlage für die Auswahl des ersten Use Case und die Erstellung einer Road-Map zur Ausrichtung der KI-Initiative.

Start Small starten Sie mit einem Use Case, der Ressourcen, Budget und Projektdauer überschaubar hält. Suchen Sie sich „low hanging fruits“ – speziell am Anfang der AI-Journey. Der ausgewählte Use Case sollte eine geringe Komplexität haben, und das Business muss einen klaren, signifikanten Mehrwert erkennen.

Deliver Fast Wählen Sie einen Use Case, bei dem relativ zeitnah erste Ergebnisse vorliegen. Insbesondere die Datenbasis ist hier entscheidend. Wenn aus den ersten Datascreenings klar wird, dass man einige Monate in die Datenvorbereitung investieren muss, dann wird das Projekt nicht gerade beflügelt. Schnelle Ergebnisse motivieren die Projektbeteiligten, das KI-Projekt mit hoher Priorität zu verfolgen.

Erfolgsfaktor #5

Die Implementierung einer KI-Lösung markiert nicht das Ende eines KI-Projekts

Nach der traditionellen Definition endet ein IT-Projekt, wenn der geplante Leistungsumfang geliefert wurde. Das gilt auch für KI-Projekte. Man muss sich allerdings bewusst sein, dass der laufende Betrieb von KI-Lösungen besondere Aufmerksamkeit erfordert. KI-Modelle müssen über eine gewisse Zeit validiert und gegebenenfalls angepasst und verbessert werden. Das passiert (noch) nicht selbständig durch die KI. Es braucht ein Team für die laufende Weiterentwicklung, um die Funktionsweise aufrechtzuerhalten und einen nachhaltigen Mehrwert für die Fachbereiche schaffen können.

Erfolgsfaktor #6

Die passende Projektmanagement-Methode

Unternehmen greifen noch immer gerne auf klassische Projektmanagement-Methoden (z. B. Wasserfall) zurück, die oft zu ineffizientem Informationsaustausch und falschen Erwartungshaltungen der Fachbereiche führen. Oft hat man ein Ziel, das man erreichen möchte – z. B. mit predictive maintenance eine höhere Maschinenproduktivität. Allerdings weiss man im Vorfeld noch gar nicht, ob Datenumfang und -qualität sinnvoll und ausreichend sind, um dieses Ziel zu erreichen. Daher haben Data-Science-Projekte zu Beginn experimentellen Charakter. Es wird im Labor gearbeitet. Wenn dann vernünftige Ergebnisse erzielt werden, kann man darüber diskutieren, wie diese möglichst an der richtigen Stelle eingesetzt und nutzbar gemacht werden können. Die Erwartungen der Fachbereiche müssen möglichst messbar und realistisch definiert werden. Über technische und menschliche Schnittstellen sollte man  immer wieder sprechen, um bestehende Ressourcen zu nutzen und die technischen Spezifikationen an die Bereitschaft und die Möglichkeiten der bestehenden Infrastruktur und der Nutzer anzupassen. Im Projektmanagement sollte man auf agile Projektmethoden und auf eine transparente, offene Kommunikation setzen. Das wirkt sich positiv auf das Change-Management aus.

Erfolgsfaktor #7

Ethische und rechtliche Aspekte einbeziehen

KI-Modelle optimieren Geschäftsprozesse ohne Rücksicht auf soziale oder ethische Grundprinzipien. KI ist in manchen Fällen ein zweischneidiges Schwert, das zu ethischen oder auch rechtlichen Problemen führen kann.  

Data-Science-Beispiele, die zu ethischen und rechtlichen Problemen führten:

  • Gesundheitsrisiko-Scoring:
    Gesundheitsdienstleister in den USA verwendeten einen Gesundheitsrisiko-Score, um festzustellen, ob sie jedem Patienten eine proaktive Gesundheitsbehandlung anbieten sollten. Grundsätzlich ist das eine gute Idee. Das Modell verwendete jedoch die Gesundheitskosten zur Bewertung der Gesundheitsrisiken. Und weil dunkelhäutige Patienten tendenziell niedrigere Gesundheitskosten hatten, priorisierte dieser Gesundheitsrisiko-Score hellhäutige Patienten für eine proaktive Behandlung.
  • Erstellung von Wählerprofilen in Facebook:
    Cambridge Analytica nutzte Daten von Millionen von Facebook-Profilen ohne Freigabe der Nutzer, um psychologische Profile von Wählern zu erstellen.  Facebook wurde daraufhin mit einer Geldstrafe von fünf Milliarden Dollar belegt und Cambridge Analytica ging bankrott.

Es ist wichtig, potenzielle ethische und rechtliche Probleme im Voraus und während der KI-Nutzungsdauer zu bewerten.  

Erfolgsfaktor #8

„Business-Transformation“ findet nur in einer Unternehmenskultur statt, die offen für Veränderungen ist.

Jeder kennt den Spruch „Culture eats Strategy for breakfast“. Die besten Use Cases, die beste Strategie und das erfahrenste Team nützen wenig, wenn die Unternehmenskultur keine Innovation zulässt. Es braucht eine „open minded“ Kultur, in der Mitarbeiter neugierig sind, Neues zu lernen.

Führungskräfte berichten regelmässig, dass kulturelle Herausforderungen – nicht technologische – das grösste Hindernis für die erfolgreiche Einführung von KI-Initiativen sind und damit ein Hindernis für die Optimierung von Geschäftsprozessen darstellen.

Denken Sie daran, dass nicht alle Projektbeteiligten mit voller Überzeugung an Bord sind. KI ist etwas Neues, Unbekanntes, dessen Ergebnis nicht 100%ig klar ist. KI kann unter Umständen Arbeiten und auch Berufsbilder ersetzen, mit denen sich Menschen identifizieren. Das Vertrauen in dieses Thema entwickelt sich mit der Zeit. Es bedarf daher eines hohes Masses an Transparenz und offener Kommunikation. Oft steigen die Neugier und das Interesse während des Projekts und damit auch das Wissen und Verständnis rund um Data-Science und KI. Das sind wichtige Grundvoraussetzungen, wenn KI Bestandteil in der täglichen Arbeit der Mitarbeiter werden soll.

Beziehen Sie insbesondere jene Mitarbeiter ein, die sich auf dem Gebiet KI noch nicht wohl fühlen. Beginnen Sie mit kurzen, einfachen Trainings und Coachings und betonen Sie die Bedeutung der datengetriebenen Entscheidungsfindung. Damit helfen Sie allen Beteiligten, den Veränderungsprozess zu durchlaufen.

Erfolgsfaktor #9

KI-Lösungen brauchen Akzeptanz und Vertrauen

Data-Scientisten bringen oft die besten KI-Modelle hervor, aber die Mitarbeiter wollen die Modelle nicht als Instrument nutzen. Warum?

Ein Klassiker sind Scoring-Modelle wie zum Beispiel die Vorhersage der Wahrscheinlichkeit, dass Kunden abwandern (Churn-Prediction).

Das Problem bei aggregierten Scoring-Modellen ist, dass die Mitarbeiter nicht verstehen, wie sich die Scores bilden. Der Score ist eine Blackbox. Daher gewinnen die Anwender der KI-Modelle kein Vertrauen und tun sich schwer bei der Ableitung der richtigen Massnahmen. Welche Massnahmen soll ein Mitarbeiter ergreifen, wenn der Churn-Score bei 87 von 100 liegt? Also ein stark gefährdeter Kunde.

Akzeptanz bei den Anwendern erreicht man nur, indem man in diese Blackbox reinschauen kann. Den Anwendern soll ein KI-Modell erklärt werden bzw. müssen Anwender das Know-how haben, um zu verstehen, wie KI grundsätzlich funktioniert. Empfehlungen und Prognosen der KI sollten erklärt werden. Man spricht von „explainable AI“. Verstehen heisst auch Akzeptieren heisst Vertrauen.

Jedes Unternehmen muss sich mit den eigenen KI-Potenzialen intensiv auseinandersetzen. Diese sachlich analysieren, bewerten und wenn das Potenzial vorhanden ist – mit dem richtigen Use Case und einem qualifizierten Team loslegen. Think big – start small and deliver fast – but start.  

Methodik zur Auswahl des besten KI-Use-Case

Die Auswahl des richtigen KI-Use-Case ist von entscheidender Bedeutung, da sie den gesamten Erfolg einer Implementierung bestimmt. Ein passender Use Case muss eng mit den Zielen und Herausforderungen des Unternehmens verbunden sein. Eine falsche Auswahl kann zu erheblicher Ressourcenverschwendung führen und das Vertrauen in KI-Technologie zerstören. Die Akzeptanz im Unternehmen ist ein weiterer entscheidender Faktor. Ein gut gewählter Use Case erleichtert die Überzeugung der Stakeholder, da er einen klaren Nutzen und konkrete Auswirkungen aufzeigt. Der Start mit dem richtigen KI-Use-Case fördert die Bereitschaft der Mitarbeiter, Prozesse und Arbeitsweisen zu verändern und hilft, Ängste vor Veränderung abzubauen.

Vor allem am Anfang der AI-Journey ist die richtige Use-Case-Auswahl wichtig. Man muss sich auf die Suche nach den „low hanging fruits“ begeben. Jene Use Cases, die einen hohen Mehrwert generieren und in kurzer Zeit umsetzbar sind. Wie findet man „low hanging fruits“?

Fragt man Mitarbeiter nach Ideen, wofür man KI im Unternehmen einsetzen könnte, kommen jede Menge Ideen. Die Auswahl sollte unbedingt einer klaren, nachvollziehbaren Systematik folgen, sodass Entscheidungen nachvollziehbar sind. Jede Use-Case-Idee sollte auf folgende drei Kriterien hin bewertet werden:

  • Feasibility
    Ist die Implementierung technisch machbar?
  • Complexity
    Ist die Umsetzung ressourcenintensiv und bedarf der Einbindung mehrerer Unternehmenseinheiten bzw. externer Partner?
  • Business Value
    Welchen messbaren Mehrwert hat das Unternehmen?

Die Bewertung des Business-Value eines KI-Projekts ist manchmal eine Herausforderung. Auch wenn eine Bewertung in einigen Fällen schwierig sein mag und teilweise mit vagen Annahmen verbunden ist, sollte man nicht auf eine zahlenmässige Bewertung verzichten. Optimiert man im Produktionsbereich ist eine Bewertung anhand von Kosteneinsparung oder Produktivitätssteigerung in der Regel gut möglich. Auch die Verbesserung in der Qualitätskontrolle kann mit der Ausschussquote gemessen werden. Schwieriger wird es auf der Umsatzseite, wenn man versucht, Umsatzsteigerungspotenziale zu quantifizieren. Es geht darum, dass die Bewertung mit internen Experten durchgeführt wird und so ein konstruktiver Dialog angestossen wird. Durch die kritische Auseinandersetzung mit der Nutzenbewertung entwickelt man eine einheitliche Sichtweise und eine klare Meinung zu einer KI-Idee. Sind die internen Experten von einer KI-Idee nicht 100 % überzeugt und motiviert, sollte man damit auch nicht in die Umsetzung gehen. Die Auswahl eines geeigneten Anwendungsfalls ist entscheidend für den Erfolg in der AI-Journey. Die systematische Auswahl und die Einbeziehung der relevanten Stakeholder stellen sicher, dass KI nicht nur technisch erfolgreich ist, sondern vor allem den strategischen und geschäftlichen Anforderungen des Unternehmens entspricht. Dies trägt dazu bei, die Investitionen in KI wirksam einzusetzen und den Weg für eine nachhaltige Integration in die Geschäftsprozesse zu ebnen.

Die Symbiose aus Mensch und KI

In kritischen Unternehmensbereichen, wie zum Beispiel in der Produktion, stellt die Umsetzung automatisierter KI-basierter Lösungen technisch, wirtschaftlich und aus rechtlicher Sicht eine grosse Herausforderung dar, weshalb der Mensch in der Regel die endgültigen Entscheidungen trifft. Zur Prüfung eines Schadensfalls muss dokumentiert werden, wie die Entscheidungen, die dazu geführt haben, zustande gekommen sind. Dies ist bei KI-Systemen, die sich wie eine Blackbox verhalten, sehr schwierig. Betrachtet man die Stärken von Menschen – wie Flexibilität oder Kreativität – und jene von KI – die Verarbeitung grosser Datenmengen, gleichbleibende Performance und Genauigkeit bei repetitiven Tätigkeiten – wird schnell klar, dass der maximale Nutzen einer KI durch die Zusammenarbeit mit Menschen erzielt werden kann. Der Mensch mit seinem Erfahrungswissen und seinen Stärken wird deshalb auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen, ob als Entscheider oder als Mitarbeiter, der ein KI-System überwacht, trainiert, weiterentwickelt und optimiert. Die Mensch-KI-Schnittstelle bzw. das User-Interface nimmt eine wichtige Rolle ein, um die beschriebene Zusammenarbeit zu ermöglichen und Entscheidungen durch gut erklärte Prognosen oder Empfehlungen der KI zu unterstützen. Die richtige Wahl und Gestaltung des User-Interface ist für die Akzeptanz wichtig. Neben klassischen Visualisierungen in Form von Text oder Grafiken bieten Sprachassistenten wie Chat-GPT ein bedeutendes Potenzial für die Zukunft.

Durch die Erkennung von Anomalien z. B. bei Vibration, Temperaturanstieg, Druckabfall oder Abriss der Stromaufnahme werden Ausfälle von Maschinen bzw. von einzelnen Baugruppen oder Werkzeugen vorhergesagt. Instandhaltungsmitarbeiter werden über eine webbasierte Applikation am Steuerungsstand informiert. Die Entscheidung, wann die Wartung tatsächlich durchgeführt wird, obliegt weiterhin dem Mitarbeiter. Mithilfe dieser Applikation können Wartungsarbeiten frühzeitig erkannt und eingeplant werden, um einen ungeplanten Stillstand zu vermeiden, der wirtschaftlich einen beträchtlichen Schaden verursachen kann.

Im Sinne einer guten Erklärbarkeit zeigt das KI-Tool, welche Anomalien im Prozess auftreten und welche (korrelierenden) Faktoren für die Wartungsprognose verantwortlich sind. Das System gibt eine Wahrscheinlichkeit an, mit der es innerhalb der nächsten 6, 12 oder 24 Stunden zu einem Ausfall kommen könnte. Das System zeigt zudem, welche ähnlichen Ereignisse es in der Vergangenheit gab und ob das System bei diesen Fällen richtig oder falsch lag. Ein KI-System ist nur so gut wie die Genauigkeit der Vorhersagen sind und ob die Anwender in die KI Applikation vertrauen haben oder nicht. Die Art der Visualisierung der KI-Empfehlungen im User-Interface spielt eine wichtige Rolle im Vertrauensaufbau.

Das KI-System hilft den Mitarbeitern zu lernen, welche Anomalien zu Maschinenausfällen führen und wie lange die Wartungszyklen dauern bzw. von welchen Faktoren diese beeinflusst werden. Andererseits können Mitarbeiter über Eingabemechanismen ebenfalls ihr Erfahrungswissen einbringen und einen Wartungsfall einstellen, wenn sie z. B. selbst wegen einer eigenartigen Geräuschentwicklung einer Maschine einen baldigen Ausfall erwarten. Sie können dem System Rückmeldung geben, ob es wirklich in einem bestimmten Zeitraum zu einem Ausfall gekommen ist oder ob eine durchgeführte Wartung zur Lösung einer Anomalie geführt hat. Auch die Adaptierbarkeit des KI-Systems ist wichtig. Also die Anpassung an die sich verändernde Gegebenheiten der Produktion und die Integration mit anderen IT-Systemen (z. B. ERP). Um KI-Systeme mit einer hohen Akzeptanz zu entwickeln, müssen das KI-Modell, der Geschäftsprozess und das User-Interface aufeinander abgestimmt werden. Hierfür ist ein interdisziplinäres Team erforderlich, das Expertenwissen in allen genannten Bereichen einbringt. Eine wichtige Rolle nehmen Usability-Experten ein. Sie helfen dabei, die KI-Applikation und das richtige User-Interface in den Arbeitsablauf zu integrieren.

Fazit

Die erfolgreiche Einführung von KI in Unternehmen der Fertigungsindustrie erfordert nicht nur technologische Implementierungen, sondern auch eine strategische Herangehensweise, die das Mindset der Mitarbeiter berücksichtigt. Die Integration von KI in die Wertschöpfungskette bietet Potenziale zur Steigerung der Effizienz, der Innovationskraft und der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.  

Bis heute wird KI in der Regel als Werkzeug für Mitarbeiter eingesetzt, wobei ihre Effektivität stark von dem Vertrauen der Mitarbeiter in die Ergebnisse abhängt. Es erfordert ausserdem die Bereitschaft der Mitarbeiter, ihre Arbeitsmethoden anzupassen und den Empfehlungen der KI zu folgen. Die Implementierung vollautomatisierter, autonom funktionierender KI-Lösungen in kritischen Unternehmensbereichen ist in den meisten Fällen nicht das Ziel. Menschliche Entscheidungen bleiben aufgrund technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Komplexität oft unerlässlich.  

Vielmehr sollen KI-Lösungen in Arbeits- und Entscheidungsprozesse der Mitarbeiter sinnvoll integriert werden. Eine KI agiert als Assistent, um schnelle und richtige Entscheidungen zu ermöglichen. Das User-Interface spielt dabei eine entscheidende Rolle, besonders im Kontext der „erklärbaren KI“. Ein KI-System gewinnt Vertrauen, wenn es klare und präzise Empfehlungen oder Prognosen liefert, die für Mitarbeiter verständlich sind. Die Nutzung eines KI-Systems erfolgt nur, wenn die Mitarbeiter diesem auch vertrauen.